waagerechter Regen und so

Was denkt Ihr so, wenn Ihr auf dem Weg zur Arbeit seid? Hört Ihr Musik, laut und hämmernd? Oder sanftes für die Sinne? Sind es Eure Pendenzen des Tages, die Euch beschäftigen? Oder denkt Ihr an jemanden Liebes und schwelgt in den Gedanken?
Ein Heer von Angestellten mit Regenschirmen schreitet den morgendlichen Weg auf nassen Bürgersteigen. Der Nieselregen pfeift waagerecht. Entgegen der Physik (Schwerkraft) benetzt er die Waden und den Rücken. Die breite Hutkrempe und der hochgeschlagene Kragen bei mir verhindert diesen Unwill der Natur bestens. Die Dame vor mir kämpft mit einem umgekrempelten Regenschirm der sich sträubt, seine vorgeschriebene und dienlichere Position einzunehmen. Ihre blonden Haare verwirbeln im Wind wie Sauerkraut. Ach, was hat sie für einen schweren Start in den Tag.
Ich denke an die Regentropfen am Fenster in der Bahn. Schräg schossen Sie über das Glas, einen langen Streifen nach sich ziehend. Wie in einem Lupenglas verdreht und verschmilzt die vorbeifliegende Landschaft darin. Ein Spiel aus Momenten und Lichtreflexen. 
Ich denke an die Fahrgäste, die eben noch sicher und behütet in dieser Bahn sassen. Man hörte Musik, schaute sich die wichtigen Belanglosigkeiten der "sozialen" Netzwerke an oder blätterte in einer der Gratiszeitungen. Die meist gebeugte Haltung werden wohl einige den ganzen Tag beibehalten. Es wirkt nach innen, so sinniere ich grad, dass man in dieser Haltung sicherlich nicht frei und ungezwungen schaffen kann. Diese Haltung verrät eine unsichtbare Last, den Unwillen und die Unterwürfigkeit in den Alltag. 
Erneut zupfe ich den Kragen höher. Die Feuchtigkeit bahnt sich den Weg in den Nacken. Ein Schauer fährt mir leicht über den Rücken. Nein, es ist kein unangenehmer Schauer, eher eine Art von Wohlbefinden, das Wetter geniessend. Die Gedanken sind frei... tut gut zu wissen.
Meinen Schatz habe ich verblüfft, indem ich ihr heut morgen entgegen rief: "Du, wir haben heute was zu feiern! Den 9. Tag nach unserer Trauung... und morgen gar das erste runde Jubiläum." Sie lachte laut und strahlte mich so herzlich an - unvergleichlich. 
Vielleicht sollten wir jeden Tag versuchen, ihn so zunehmen, dass das Leben sich lohnt. Leicht, mit einem Lächeln oder unverschämtem Lachen. Und im Bewusstsein, dass jeder wichtig ist im Leben.
Meine Mädels arbeiten alle jeden Tag mit Menschen, pflegen und kurieren. Wie wichtig ist es, Ihnen eigentlich jeden Tag dafür zu danken, ihnen Kraft zu wünschen und die Bewunderung zu zeigen.
Mein Job sind eher IT-Probleme, Druckerprobleme... es sind Probleme die wir (Menschen) uns selber machen. "Bei Druckern und Schokolade gibt es keine Diskussion." sprach eine Kundin mal zu mir. Ja, das trifft es ziemlich genau. Aber wenn wir ehrlich sind, ist das Längstens nie so wirklich wichtig. Der Umgang, die Hilfe am Menschen, tagtäglich... was für eine wertvolle Aufgabe.
Mit solchen Gedanken erreiche ich die Arbeitsstelle. Der Hut ist nass, die silbrigen Wasserperlen am Mantel benetzen den Flur vor dem Lift...
"Dann wollen wir mal wieder." spricht ein völlig Fremder im Lift zu mir. Ich nicke - und lächle ihn verständnisvoll an. Ansteckend. Er lächelt retour...

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